Öffentliches Recht | 1. Staatsexamen | Rechtswissenschaft | Universität Erlangen

Öffentliches Recht | Rechtswissenschaft
04.07.2005
Art der Hochschule:
Universität
Prüfungsort:
Erlangen
Studienfach:
Rechtswissenschaft
Art der Prüfung:
1. Staatsexamen
Prüfungsfach:
Öffentliches Recht
Dauer:
40-50 Minuten
Note:
keine Angabe;
Konntest du mit einem selbst gewählten Thema beginnen?
keine Angabe
Versucht der Prüfer bei Schwierigkeiten zu helfen?
keine Angabe
Prüfungsablauf / Tipps
1. Zur Person

Herr ***** ist Richter am BayVGH, dort derzeit in einem Bausenat. Zur Prüfungsvorbereitung nutzt diese Tatsache allerdings nichts: Geprüft wurde in dieser Prüfung Staatsrecht, wie auch Grundlagen der Kommunalabgaben und Kommunalrecht.

Wenn man ihn als eines definitiv nicht beschreiben kann, dann als wohlwollend. Im Gegenteil: In dieser mündlichen Prüfung wurden alle drei Teilnehmer systematisch heruntergeprüft – der Protokollant von einem Klausurschnitt im ÖR von 11,25 auf 07 Punkte. Soweit bekannt, wurden auch die drei Prüflinge der vorhergehenden mündlichen Prüfung heruntergeprüft. Die Bestnote betrug dort 13 Punkte bei einem vorherigen Klausurschnitt von 15,5 Punkten.

Im Übrigen ist Herr ***** sehr beunruhigend und verunsichernd, außerdem zynisch. So geht er auch augenscheinlich in allen anderen Prüfungen mit, d.h. verdreht die Augen, stöhnt, etc., wenn Prüflinge etwa Straftatbestände nicht sofort erkennen. Auch hierüber macht er sich Aufzeichnungen. Es hat den Anschein, als würde er seine Eindrücke zu einer Art Gesamtnote "verarbeiten". Die jeweilige Frage erscheint stellenweise äußerst unklar (dazu sogleich). Die Anforderungen, die Herr ***** stellt, erinnern manchmal mehr an ein Doktorandenseminar, denn an eine mündliche Prüfung des Ersten Juristischen Staatsexamens.

In Kürze:

Notengebung (1=wohlwollend, 2=korrekt, 3=streng): 3
Gesamteindruck (1=ideal bis 5=äußerst unangenehm): 5
Orientierung an vorherigen Prüfungen: wenig sinnvoll, nur teilweise Überschneidungen
Prüfungsfragen
2. Einleitende Aufgaben

Zunächst stellte Herr ***** jedem Prüfling eine kleinere Aufgabe.

a) Einteilung von Steuern, Gebühren, Beiträge

Die eine Frage lautete, wie Steuern, Gebühren und Beiträge zu systematisieren seien. Im Ergebnis wollte er eine Beschreibung von jedem Punkt hören, wobei es ihm wesentlich darauf ankam, dass Steuern ohne Gegenleistung zu zahlen sind, dass Gebühren eine konkrete Gegenleistung abgelten, und dass Beiträge schon für die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme zu zahlen sind. Nachdem es die Kandidatin nicht wusste, gab er die Frage frei, wie man Gebühren und Beiträge zusammenfassen kann: Man nennt sie auch Vorzugslasten.

b) Garantieinhalt von Art. 19 IV GG

Ein anderer Prüfling wurde mit der Frage konfrontiert, ob die Garantie des Art. 19 IV GG auf effektiven Rechtsschutz ein Rechtssystem mit mehreren Instanzen voraussetzt. Die richtige Antwort darauf lautet: Nein, effektiver Rechtsschutz heißt letztlich nur, dass überhaupt eine Möglichkeit auf eine gerichtliche Überprüfung gegeben wird.

c) Problematik der Verletzung rechtlichen Gehörs in der letzten Instanz

Mir wurde sodann folgendes Problem geschildert: Es passiert häufiger, dass ein Schriftsatz bei Gericht eingeht und dort auch mit dem Eingangsstempel etc. versehen wird, aber etwa in die falsche Akte gelangt, und deswegen den zuständigen Spruchkörper nicht mehr rechtzeitig vor dem Urteil erreicht. Der Inhalt des Schriftsatzes hätte das Verfahren anders dargestellt, kurzum: es wäre gegenteilig entschieden worden. Welche Möglichkeiten gibt es nun, sich dagegen zu wehren? Soweit in der jeweiligen Prozessordnung kein Wiederaufnahmeverfahren o.ä. geregelt ist, bestand bis vor kurzem nur die Möglichkeit zum Gang vor das Bundesverfassungsgericht – Verfassungsbeschwerde, gestützt auf die Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 I GG, sofern es ein eigener Schriftsatz war. Hier stellte Herr ***** die Frage, wie das praktisch zu machen sei, weil das BVerfG dann überlastet wäre. Er begnügte sich hier nicht mit der Antwort, dass das BVerfG ggf. an die letzte Instanz zurückverweist, und nicht selbst den Fall aufrollt. Welche Möglichkeit gäbe es da vielleicht noch? Mit Blick auf die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde war hier die Gegenvorstellung gefragt. Außerdem wurde vom Prüfer erwartet, dass der Prüfling das neue Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 09.12.2004 kennt! Durch dieses Gesetz wurden alle Prozessordnungen um eine Normierung ergänzt, die einen erneuten Zugang zur letzten Instanz ermöglicht. Abgeschlossen wurde der Themenkomplex mit der Frage nach der zugrundeliegenden Entscheidung des BVerfG, die den Gesetzgeber erst zum Handeln veranlasst habe. Nach der Aussage von Herrn ***** handelte es sich um eine Entscheidung, die die verfassungsrechtliche Pflicht zur Schaffung dieser "letzten" fachgerichtlichen Kontrollmöglichkeit begründet hat. Unzutreffend behauptete der Prüfer jedoch, es wäre eine Entscheidung des Großen Senats des BVerfG gewesen. Hier soll richtiggestellt werden: Das BVerfG hat nur einen ersten und einen zweiten Senat. Außerdem tagt das Plenum – wie in der fraglichen Entscheidung – niemals aber ein "Großer Senat"!

3. Hauptfall: Bürgerbegehren

Danach stellte Herr ***** einen Fall für alle Prüflinge: Ein kommunales Bürgerbegehren wird mit folgenden Fragen bei der Gemeinde eingereicht:

1. Sind Sie dagegen, dass der Wasserpreis von 1 € auf 2 € erhöht wird?
Hierzu wurde vom Prüfer ergänzt, die Gemeinde könne nur zu einem Wasserpreis von
1,80 € kostendeckend wirtschaften.

2. Sind Sie dafür, dass die Gemeinde bei Widersprüchen des Bürgers in Selbstverwaltungsangelegenheiten immer die sofortige Vollziehung aussetzt?

Der Gemeinderat lehnt die Zulassung des Bürgerbegehrens ab. Zu prüfen waren die Erfolgsaussichten einer Klage.

a) Zulässigkeit

In der Zulässigkeit wurde mit der Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage begonnen, wobei der Prüfling zunächst eine Anfechtungsklage zugrunde legte, sich dann aber wegen des Klageziels selbst korrigierte und die Verpflichtungsklage weiter verfolgte. Die gutachtliche Fragestellung eines Prüflings, ob es sich bei der ablehnenden Entscheidung des Gemeinderats um einen VA handelt, wurde vom Prüfer äußerst destruktiv beschieden mit: "Ist es nun ein VA oder ist es keiner? Machen Sie hier ein Gutachten oder sagen Sie, wie es ist?" Erwartet wurde nur die knappe Feststellung, dass es sich "auf jeden Fall" um einen VA handelt, was der Prüfer der sichtlich entsetzten Kollegin selbst entgegenwarf. Die verschiedenen Ansatzpunkte der Literatur sollten hier nicht mehr weiter verfolgt werden. Bei der Klagebefugnis wurde dann ein anderer Prüfling zu Hilfe gezogen, um zu begründen, warum die drei Vertreter des Bürgerbegehrens klagebefugt seien. Mit dem Hinweis darauf, dass andernfalls eventuell mehrere hundert Unterzeichner bei Gericht auftreten müssten, gab sich der Prüfer erstaunlicherweise zufrieden. Besonders sei hier darauf hingewiesen, dass es beim Prüfer einen schlechten Eindruck hinterließ, als sich die Kollegin bei der Frage nach dem Vorverfahren verhaspelte und die Notwendigkeit eines Solchen annahm. Das Vorverfahren ist nach Art. 18a VIII 2 GO explizit ausgeschlossen. Hier wurde der Prüfer im Übrigen erneut pampig und raunte die Kollegin an, sie solle doch die erfolgreiche Technik anwenden, die sie schon im Strafrecht gezeigt habe: Weiterlesen! Danach wurde ein anderer Prüfling befragt, was man denn noch prüfen könne. Er antwortete daraufhin, dass die Rechtswegeröffnung noch überhaupt nicht diskutiert worden sei. Alleine diese Feststellung veranlasste Herrn ***** zu folgendem Kommentar: "Da sind wir jetzt mal froh, dass die Kollegin uns das erspart hat. Dieses Problem wird von den Stundenten sowieso immer viel größer gemacht, als es eigentlich ist und das wird der Sache nicht gerecht." Weitere Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage waren danach nicht mehr erwünscht.

b) Begründetheit

Bei der Begründetheitsprüfung hat der Prüfling dann, die aus Sicht des Prüfers sicherlich nebensächliche, Passivlegitimation der Gemeinde ebenso weggelassen, wie er jenseits des Schemas von Art. 18a GO gleich zur Kernfrage vordringen wollte: Der Tatsache, dass die Gemeinde nach Art. 8 II 1 KAG zur kostendeckenden Gebührenfestlegung verpflichtet ist, sich also schon deswegen ein Wasserpreis von 1 € verbietet. Hier wurde der Prüfling unterbrochen mit dem Hinweis, dass er in Art. 8 KAG aber nichts über die Frage finde, ob das Bürgerbegehren hier zum Thema Wassergebühren zum eigenen oder zum übertragenen Wirkungskreis zu rechnen sei.

c) Abweichende Prüfung

Dann wurde die Prüfung wieder an einen anderen Prüfling abgegeben, der sich in der Folge ausführlicher mit dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinde auseinandersetzen musste. Dann sollten als weitere mögliche Rechtsgrundlagen für gemeindliche Satzungen die Gemeindehoheiten aufgezählt werden, was den Prüfer bei der Personalhoheit zu einem Ausflug in Art. 33 GG und zur Differenzierung zwischen Abs. 2 und Abs. 5 veranlasste. Bei der gemeindlichen Planungshoheit wollte Herr ***** erörtert haben, ob diese von Art. 28 GG geschützt sei. Nach seinen eigenen Ausführungen hat sich die Rechtsprechung hierzu noch nicht geäußert und die Literatur ist hierzu geteilter Auffassung. Dann ging es schließlich an die genauere Prüfung dessen, was die Wasserversorgung denn eigentlich sei. Zunächst sollten die Prüflinge die Rechtsgrundlage für einen Benutzungsanspruch der Gemeindeeinwohner (Art. 21 GO) nennen. Bei dieser Gelegenheit fragte Herr ***** nach einem Oberbegriff für die Bereiche Wasserversorgung und Elektrizität. Zwar konnte ein Prüfling den gewünschten Begriff der Daseinsvorsorge benennen, wusste aber nicht, dass dieser Begriff erstmalig von Ernst Forsthoff verwendet wurde. Dann wurde die Definition der Einrichtung verlangt. Eine Einrichtung ist die Zusammenfassung von sächlichen und personellen Mitteln. Als der Prüfer sodann nachfragte, was noch dazugehöre, wurde der Prüfling stutzig, merkte aber selbst, dass sich der Prüfer seines eigenen Fehlers nicht gewahr wurde: Er hatte nach der Einrichtung, nicht nach der öffentlichen Einrichtung gefragt. Herrn ***** kam es dann darauf an, wie eine Einrichtung öffentlich wird. Nun wurde die Widmung abgeprüft. Der Widmungsakt kann durch Rechtsnorm (Satzung), VA oder konkludent erfolgen. Weil der Prüfling zunächst auf die förmlichen Arten der Widmung eingegangen ist, sah sich Herr ***** zu nachfragen veranlasst. Eine Frage ging dahin, ob es auch möglich sei, eine Widmung in der Tageszeitung zu veröffentlichen, was selbstverständlich möglich ist, wenn die Gemeinde etwa selbst kein Amtsblatt unterhält. Wegen der Nachfrage, ob denn die Widmung schriftlich erfolgen müsse, führte die Prüfung schließlich in Art. 37 BayVwVfG. Dort wollte Herr ***** anhand der Normtextes herausgearbeitet haben, dass die Schriftlichkeit ein Merkmal der Eingriffsverwaltung ist, und fragte nach einem verallgemeinerungsfähigen Grundsatz. Dieser sollte seiner Meinung nach so aussehen: Je mehr Eingriff, desto mehr Schriftlichkeit.

4. Abschließende Beschreibung

In dieser mündlichen Prüfung haben sich zwei von drei Teilnehmern in der Gesamtnote verschlechtert, gleichwohl aber die Notenstufe gehalten. Die Verschlechterung ist eindeutig auf die deutlich zu niedrige Bewertung von Herrn ***** zurückzuführen. An den anderen Ergebnissen lag es nicht bzw. nicht im ausschlaggebenden Bereich der Verschlechterung. Diesem Prüfer sind Noten gleichgültig und Ergebnisse wohl auch. Er vermittelt nicht nur einen sehr arroganten und abgehobenen Eindruck, sondern gibt auch deutlich seine Meinung zu den anderen Teilprüfungen zu erkennen – ein Wunder, dass er seinen Mund dort hält. Im Falle des Protokollanten war es nur auf die anderen Prüfer, und im Fall des Wahlfachprüfers auf dessen ausgewiesenen Willen, zurückzuführen, dass er das Prädikat "vollbefriedigend" halten konnte. An ein Ausbauen der Note war hier beim besten Willen nicht zu denken. Zur abschließenden Charakterisierung des Prüfers sei hier noch angemerkt, wie Herr ***** auf das Verlangen einer Begründung der mündlichen Note reagierte: Zuerst war er ob des Verlangens sichtlich irritiert und fragte nach, ob denn die schriftliche Prüfungsnote – also die der Klausuren – begründet werden sollte. Sodann kam nur folgender lapidarer Satz "Mehr war's halt nicht". Eine Darlegung von Stärken und Schwächen des Vortrags unterblieb aber vollends.

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