Eine Arzneipflanze, Buchweizen, die noch nicht allgemein bekannt, aber mittlerweile als Therapeutikum anerkannt ist, soll künftig als „Arzneipflanze des Jahres“ in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden. Für 1999 ist die Wahl auf den Echten Buchweizen (Fagopyrum esculentum) gefallen.
Die Jury, der neu gegründete „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen“ am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg, will damit künftig nicht nur auf eine bestimmte Heilpflanze, sondern auch auf die wissenschaftliche Arbeit an der Hochschule aufmerksam machen: Denn am Medizinhistorischen Institut hat sich, in enger Zusammenarbeit mit dem Würzburger Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie und den Pharmazie-Historikern in Marburg und Heidelberg, eine kompetente Forschung zur Geschichte der Pflanzenheilkunde sowie einzelner Heilpflanzen etabliert.
Der Echte Buchweizen, ein seit Jahrhunderten genutzter Getreideersatz, bisweilen auch als „Arme-Leute-Essen“ bezeichnet, habe sich im Verlauf der vergangenen 20 Jahre zu einer „rationalen Arzneipflanze“ gegen Gefäßerkrankungen entwickelt, teilt der Studienkreis mit, der von dem Würzburger Medizinhistoriker Prof. Dr. Dr. Gundolf Keil geleitet wird. Außerdem habe der Jury der „Aschenputtel-Charakter“ des Buchweizens gefallen: Als Nahrungsmittel konnte er nie richtig Fuß fassen. Da seine nahrhafte Mehlfrucht – von ihr stammt auch der Name Heidekorn – nicht backfähig ist, konnte er nur in Form von Brei, Grütze oder Graupen zubereitet werden. Folglich verdrängte die Kartoffel im Laufe des 18. Jahrhunderts den Buchweizen als preiswertes Grundnahrungsmittel nahezu völlig.
Dass sich der Buchweizen vom Nahrungs- zum Arzneimittel wandelte, war in mancher Hinsicht eine Überraschung: Von der Verfütterung der frischen Pflanzen an Haustiere, wie Pferde, Kühe, Schafe und Schweine, war bereits im 16. Jahrhundert die sogenannte Buchweizenkrankheit bekannt. Dabei kommt es besonders bei hellhäutigem Vieh zu Rötungen, Schwellungen und Entzündungen, solange die Tiere dem vollen Tageslicht ausgesetzt sind. Somit besaß der Buchweizen nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine Karriere als Arzneipflanze.
Als man aber in den 70er Jahren entdeckte, dass Buchweizen relativ viel Rutin enthält, änderte sich die Sachlage, denn Rutin war schon damals ein geschätzter Wirkstoff. Seine Wirkungen waren bekannt, und so lag es nahe, auch den Buchweizen als Mittel gegen verschiedene Gefäßerkrankungen zu erproben. In der Folgezeit wurden nicht nur Untersuchungsergebnisse zu Anbau, Toxikologie und Freisetzung der Inhaltsstoffe veröffentlicht, sondern mit klinischen Studien auch die Wirksamkeit der Pflanze bei chronischer Venenschwäche nachgewiesen.
Die von der Tierfütterung bekannte Buchweizenkrankheit spiele, wie der Studienkreis weiter mitteilt, beim Menschen keine Rolle: Der Inhaltsstoff Fagopyrin, der die Erkrankung verursacht, ist nicht wasserlöslich und lässt sich deshalb nicht im Buchweizenkraut-Tee, der allgemein üblichen Anwendungsform, nachweisen. Dennoch werde der Buchweizen als Arzneipflanze bislang noch übersehen. Der Konkurrent ist die Roßkastanie, deren Hauptwirkstoff Aescin bei Venenerkrankungen weitaus häufiger eingesetzt wird.
Das Wirkungsspektrum des Buchweizens dürfte sich jedoch nicht auf diesen Sektor beschränken. Rutin gehört zur Stoffklasse der Flavonoide, die wegen ihrer antioxidativen Eigenschaften derzeit einen Aufschwung erleben und sich als bedeutende Zellschutzfaktoren bei oxidativem Stress erweisen könnten, wie es in einer Mitteilung des Studienkreises heißt.
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Prof. Dr. Dr. Gundolf Keil, T (0931) 7 96 78-0, Fax (0931) 7 96 78-78