In Bayern läuft seit einigen Jahren ein Großprojekt auf dem Gebiet der Sprachforschung und -Dokumentation: „Der Bayerische Sprachatlas“. Im Rahmen dieses Projekts sollen die Mundarten im Freistaat flächendeckend erfasst und in Atlanten dargestellt werden.
Im Zuge der Sammlung und Dokumentation kultureller Güter werden seit langem Objekte wie Glas, handwerkliche Geräte, Möbel, sogar ganze Häuser und Dörfer in Sammlungen gesichert und für die Forschung, aber auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gesammelt werden aber auch vergängliche Güter wie Volkslieder, Märchen und Sagen. Darüber hinaus ist die Sprache (Dialekt) in ihren vielfältigen regionaltypischen Formen ein ergiebiges Forschungsgebiet.
Hierzu wurde Bayern in sechs Forschungsgebiete unterteilt: der Regierungsbezirk Unterfranken wird von einem Forscherteam an der Universität Würzburg untersucht, für Mittelfranken ist die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg verantwortlich, Nordostbayern (Regierungsbezirke Oberfranken und Oberpfalz) wird von der Universität Bayreuth betreut. Der Sprachatlas von Oberbayern und der Sprachatlas von Niederbayern (vergleiche gesonderte Pressemitteilung) werden von zwei Gruppen der Universität Passau erstellt: Um Niederbayern kümmert sich Professor Dr. Hans-Werner Eroms (ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwissenschaft) mit seinen Mitarbeitern, Professor Dr. Ludwig Eichinger und sein Team widmen sich dem Sprachatlas von Oberbayern.
Sprachatlas Oberbayern
Der Sprachatlas von Oberbayern wurde 1991 unter Leitung von Prof. Dr. Ludwig M. Eichinger (der auch Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim ist) begonnen und ist damit das jüngste Teilprojekt des Gesamtbayerischen Sprachatlas. Die Erhebungen sind seit 1998 abgeschlossen, d.h. derzeit befindet sich das Projekt – wie alle anderen Teilprojekte – am Ende der Publikationsphase.
Dieses Teilprojekt des Bayerischen Sprachatlas umfasst 300 Erhebungsorte und bildet damit das größte Teilgebiet der gesamtbayerischen Atlasunternehmung. Zu diesen originär oberbayerischen Erhebungsorten kommen noch 39 Planquadrate, die vom Teilprojekt Bayerisch-Schwaben (SBS) erhoben wurden und in die Kartierung des oberbayerischen Sprachatlas eingehen. Diese vom SBS erhobenen Ortsaufnahmen lagen als kodierte Dateien vor, die dann an die Fragebuchabfolge des Sprachatlasses für Oberbayern angepasst wurden. Da das Fragebuch ca. 200 Fragepunkte umfasst, die vom SBS nicht abgedeckt werden, wurden in den 39 Orten Ergänzungserhebungen durchgeführt, um eine lückenlose Kartierung aller darstellenswerten Phänomene zu ermöglichen.
Außerdem wurden im „schwäbisch-oberbayerischen“ Übergangsgebiet 11 Planquadrate von beiden Teilprojekten erhoben, so dass die Karten dieses Projektes schließlich genau 350 Ortspunkte umfassen. Die Sprachdaten wurden anhand eines zweibändigen Fragebuchs erhoben, wobei vor allem ältere, in der Landwirtschaft tätige Personen befragt wurden.
Die Ergebnisse des oberbayerischen Sprachatlas werden als sechsbändiges Kartenwerk erscheinen, hinzu kommt ein kleiner Einleitungsband. Die Publikation beginnt mit einem Wortschatzband, an dessen Erstellung alle Mitglieder der Forschungsgruppe beteiligt waren. Dieser erste Band umfasst 170 Karten und Kommentare, die vorwiegend ländlichen Themen – wie der Viehzucht, dem Ackerbau oder der Holzarbeit – gewidmet sind. Während der Bearbeitung des ersten Bandes zeigte sich, dass es günstig ist, eine Reihe von landwirtschaftlichen Handlungszusammenhängen nicht nur in einzeln ausgewählten Karten, sondern relativ durchgängig zu dokumentieren. Dadurch hat sich zwar der Umfang des ersten Bandes erheblich erhöht, jedoch konnten so ganze Themenkomplexe wie die ‚Heuernte‘ zusammenhängend dargestellt werden.
Am Sprachatlas für Oberbayern waren die meiste Zeit drei wissenschaftliche Mitarbeiter und eine wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt, die jeweils einen eigenen Band bearbeiteten.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind vier der geplanten sechs Atlasbände vollständig abgeschlossen. Zwei dieser Bände behandeln die Morphologie, wobei der erste der Nominalmorphologie (Bearbeitung durch Tatjana Lau) gewidmet ist und der zweite verbale Formen (Dr. Cordula Maiwald) behandelt, dazu kommt ein weiterer Wortschatzband (Dr. Ulrike Krieg-Holz). Die Drucklegung für alle vier Atlasbände ist für den Sommer dieses Jahres geplant. Bis zum Ende des Jahres werden außerdem zwei Bände für den Bereich Phonologie fertiggestellt, die die Themenbereiche ‚Langvokale und Diphthonge‘ (Isabel Knoerrich) sowie ‚Kurzvokale und Konsonantismus‘ (Dr. Bernhard Stör) zum Inhalt haben.
In Zusammenarbeit aller sechs Teilprojekte des Bayerischen Sprachatlas entstand außerdem ein populärwissenschaftlicher Atlas, der farbige Übersichtskarten zu Wortschatz und regionalen Lautformen bayernweit darstellt. Dieser sogenannte „Kleine Bayerische Sprachatlas“ (KBSA) wird voraussichtlich 2005 publiziert. In Ergänzung zum Sprachatlas von Oberbayern besteht seit 1991 das Forschungsprojekt „Sprachregion München“. Im Rahmen dieses Projektes wurden Gewährspersonen verschiedener Altersschichten in unterschiedlichen Kommunikationssituationen befragt, um Dialektveränderungen und Sprachwandelprozesse im Raum München näher beschreiben zu können.
Hinweis an die Redaktionen:
Rückfragen zu dieser Pressemitteilung richten Sie bitte an Dr. Ulrike Krieg-Holz, Tel. 0851/509-2845 oder an die Pressestelle der Universität Passau, Tel. 0851/509-1430, E-Mail: pressestelle@uni-passau.de.